Kino, Kirche, Kulinarik
Am westlichen Wiener Stadtrand haben Anna Pawlik und Manuel Jagetsberger vor vielen Jahren das ANNA & JAGETSBERGER eröffnet. Das Lokal ist mittlerweile Institution und der Grundsteinleger eines eigenen Grätzls. Das mag an der zeitgemäßen Küche liegen, an der bunt zusammengewürfelten Einrichtung oder am sympathischen Wirtspaar selbst. Im Anna & Jagetsberger passiert etwas, das man nicht erzwingen kann. Wir wollen es Atmosphäre nennen.
Anna über …
… sich: Ich habe mit 16 im Gastro-Service angefangen, um mein Leben zu finanzieren. Manuel hat mit 16 die Kochlehre begonnen und später haben wir uns zufällig in einem Lokal bei der Arbeit kennengelernt und festgestellt: Wir können gut miteinander. Ich hatte ansonsten keine konkreten beruflichen Pläne , war eher handwerklich tätig und hatte vorher auch noch das Modekolleg gemacht. Nur eines war eigentlich immer fix: Ich wollte nie ein Lokal haben (lacht).
Hat sich dann anders ergeben … das Lokal kam zu uns!
…das Frische-Konzept: Gerade mittags haben die Leute wenig Zeit und brauchen trotzdem was Gescheites zum Essen. Deswegen haben wir das Angebot auf den Punkt gebracht und bieten zwei verschiedene Tagesteller sowie Suppe und Salat plus Kuchen an. Es gibt keine Karte, sondern eine Tafel, die täglich neu beschrieben wird. So wissen die Gäste erst kurzfristig, was es gibt, aber sie bekommen immer etwas Gutes und natürlich auch Vegetarisches. Dieses Vertrauen haben wir uns erarbeitet.
Durch die kleine Auswahl können wir Mittags auch starken Andrang ohne lange Wartezeiten stemmen.
Durch diese nachhaltige Art des Wirtschaftens können wir auf das aktuelle Angebot an frischen Waren eingehen und verhindern so auch jegliches Wegschmeißen von Lebensmitteln. Das ist unser größtes Anliegen – neben der hauseigenen Produktion natürlich.
… den Stadtrand: Wir hatten bereits ein Lokal im 15. Bezirk gepachtet und wollten es aus verschiedenen Gründen nicht weiter betreiben. Ich habe danach gesagt, wenn ich wieder ein Lokal mache, dann nur an einem schönen Ort, an dem auch tatsächlich Bedarf besteht. Wir haben das Geschäftslokal hier zufällig gefunden und eher aus Spaß angeschaut. Es hat uns sofort geflasht: der Blumenladen, die Kirche, das Kino, die Räume, die Fassade – das war unser Platz. Das Geld für Lüftung und Küche haben wir irgendwie zusammenbekommen, was eh ein Wunder war und nur durch den Erfolg des vorherigen Lokals möglich.
Wir wohnen hier, haben das Lokal und kennen mittlerweile alle Leute. Die Nachbarn waren von Anfang an begeistert, dass hier vor Ort was passiert – wer hat nicht gern sein Stammbeisl ums Eck. Und es kommen andere, die sagen: Schade, dass es das bei uns nicht gibt. Und ich frage: Wo wohnt ihr denn. Und sie sagen: Im 7.
… das beste Publikum: Wir haben eine super Mischung. Zu uns kommen die Nachbarn, und mittags vor allem Leute, die in der Gegend arbeiten – vom Hackler bis zum Architekten. Das beste Publikum, das wir je hatten. Es kommen StudentInnen und SeniorInnen, wirklich bunt gemischt.
… Selbstausbeutung: Am Anfang haben wir praktisch nur zu zweit gearbeitet, und das war verdammt anstrengend. Zu lange Öffnungszeiten, zu wenig Personal, das war ein Wahnsinn. Aber wenn du was startest, traust du dich auch nicht drüber, voll reinzugehen. Was ja auch gut ist, weil es muss sich erst etablieren. Und das muss man sich auch leisten können.
Aber wenn man sich ständig überfordert und selbst ausbeutet, hat man auch nichts davon. Dann wird das auch keine nachhaltige Geschichte.
… den Preis: Wir sind mittlerweile auch hochpreisiger. Wenn mich wer fragt, warum unser Mittagstisch nicht günstiger ist, erkläre ich, weil die Gäste eben auch was bekommen für ihr Geld – nicht nur Qualität, sondern auch ein gutes Service. Wenn gute Lokale ihre Produkte unter Wert verkaufen, leidet immer irgendwer darunter: die Qualität, das Personal, du selbst. Es wirkt sich negativ auf die Wertschätzung aus und macht den Markt kaputt.
… und ein Gasthaus für Manuel: Nach 10 Jahren Selbstständigkeit ist jetzt noch ein Lokal dazugekommen. Aus Anna & Jagetsberger werden das Café Anna und das Gasthaus Jagetsberger. In der Märzstraße hat sich Manuel seinen Wirtshaustraum erfüllt – in Zeiten wie diesen das nächste Wunder.
Es ist noch in der Aufbauphase, wird aber von Tag eins des Probebetriebs seit Juli 2022 voll angenommen. Die Arbeit wird dadurch nicht unbedingt leichter, aber wir arbeiten dran. Mit Hilfe von vielen langjährigen UnterstützerInnen.
Denn zusammen kann man richtig viel schaffen!
Nice to meet you