Eiskalte Haute Cuisine
Im GELATO CARLO am Rande des Hamerlingparks im 8. Bezirk wird kein Eis verkauft, sondern Gelato. Im Gespräch mit Inhaber Carlo ist der Unterschied rasch erläutert. Denn Carlo erzählt von Früchten, Verfahren und Konsistenzen wie SpitzengastronomInnen von kulinarischen Krönungserlebnissen. Und spätestens beim Genuss einer so unerreicht komplexen wie cremigen Pistazie wird einem auch klar, was Carlo meint. Das ist eiskalte Haute Cousine. Wie Carlos Gelato schmeckt? Severin Corti kann Geschmack sehr gut in Worte fassen. Aber selbst probieren ist immer besser.
Carlo über …
… sich: Ich habe seit meiner Kindheit eine Leidenschaft für Gelato. Egal wohin ich reise, ob nach Italien, Hongkong oder New York, ich will zuallererst immer das heimische Eis probieren. Das ist meine Passion. Ich bin multikulturell aufgewachsen. Mein Vater ist aus Armenien, meine Mutter aus St. Valentin, ich lebe seit 1985 in Wien. Ich habe eine Ausbildung als Optiker und habe immer schon selbständig gearbeitet.
Mit meiner letzten Firma habe ich Werbemittel für die Getränkeindustrie entworfen, entwickelt und produziert. Während der Corona-Pandemie habe ich dann entschieden, dass es an der Zeit ich meiner Leidenschaft nachzugehen und endlich Gelato zu machen.
… den Eispapst: Ich habe einen guten Freund in Italien angerufen, einen Industrieguru, der mir die Idee zunächst ausreden wollte. Dann hat er mir einen Kontakt zu Giacomo Schiavon in Bologna gelegt, dem Eispapst. Giacomo ist 360 Tage im Jahr weltweit gebucht. Am Anfang wollte er mir alles in drei Tagen beibringen, aber ich habe gesagt, nonono, ich möchte tief in die Gelato Welt eintauchen und alles lernen. Ich war dann insgesamt ein halbes Jahr bei ihm und habe das Gelato-Handwek gelernt.
… Frucht-Charakter: Gelato ist Chemie und Physik. Jede Frucht hat ihren eigenen Charakter, und wenn man mit diesem Charakter richtig arbeitet, dann wird das Ergebnis „wow“. Kalamansi zum Beispiel (eine Hybride aus Kumquat und anderen Zitrusfrüchten, Anm.) ist bei minus 11 Grad perfekt, bei minus 18 Grad schmeckt sie nach gar nichts. Bei jeder neuen Frucht probieren wir etwa drei Wochen herum, geben mehr oder weniger Wasser zu, mehr oder weniger Zucker, bis der Geschmack und die Konsistenz passen.
… Zucker: Apropos Zucker, Gelato ohne Zucker funktioniert nicht. Zuckerfreies Gelato heißt Eiswürfel. Zucker macht nicht nur den Geschmack sondern vor allem die Konsistenz aus. Wir müssen darauf achten, dass der Originalgeschmack erhalten bleibt, aber wir brauchen den Zucker, damit das Gelato cremig und nicht bröckelig wird. Zu süß darf es natürlich auch nicht werden. Wenn unser Mango zu süß wird, dann geben wir ein paar Gramm Salz zu und so wird der Geschmack ausbalanciert.
… Eis-Reisen: Im Jänner und Februar mache ich Recherchereisen. So habe ich die Kalamansi in Vietnam entdeckt oder die vietnamesische Kokosnuss, die sehr intensiv schmeckt. Früher war ich oft in Hongkong. Ich liebe asiatisches Eis. Es hat eine ganz andere Struktur. 2023 hatten wir hier japanische Wochen, mit Yuzu-Sorbet (Yuzu is eine asiatische Zitrusfrucht, Anm.) oder Hojicha, das ist gerösteter grüner Tee. Wir waren ausverkauft. Die Leute wollen immer etwas Neues.
… Neues: 2024 haben wir 21 neue Rezepturen im Programm. Heuer spiele ich mit Laktose, also dem Milchzucker. Wir reduzieren das Laktose-Aroma bei einigen Sorten, dann kommen die Haselnuss aus dem Piemont, die Pistazie aus Bronte und die Mandel aus Noto in Sizilien noch besser zur Geltung. Neue Sorten sind zum Beispiel Tiramisu-Gelato oder weiße Schokolade mit Karamell – beides eine Wucht.
… die Eiszeit: Geöffnet haben wir bis zum 23. Dezember. Zu Weihnachten verkaufen wir unser Gelato fast so gut wie im Sommer, mit üppigeren Sorten wie Crema Bologna. Bei mir gibt es kein Schleckeis nur für den Sommer. Ich mache Gelato als Dessert, das auch im Winter genossen werden kann und sollte.