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Autor: Stefan Knoll

Stadt. Land. Kind.

Das LANDKIND ist eine sympathische Mischung aus Restaurant und kleinem Laden. Die Küche ist kreativ und raffiniert und verwandelt die saisonalen und regionalen Zutaten in Frühstück, Mittagsmenü und feine Abendkarte. Wildkräuter, Pilze oder Beeren aus eigener Wildsammlung runden das Angebot ab. Doch Benedikt, Nina und Stefan wollten von Anfang an mehr sein als „nur“ ein Stand am Schwendermarkt – nämlich Drehscheibe für den Markt und das Grätzl. Das ist gelungen.

Nina über…

… den Schwendermarkt: Wir waren Pioniere am Markt. Als wir den Stand übernommen haben, hat es geheißen, am Samstag brauchst gar nicht aufsperren. Wir haben samstags Frühstück angeboten und das war vom Start weg der stärkste Tag der Woche. Die Leute in der Gegend haben nur darauf gewartet, dass was passiert. Wir haben viel Unterstützung erfahren, eben weil der Markt so klein ist.

Unverschwendet sind gleichzeitig mit uns hergekommen, die Weinviertlerie ein Jahr später. Viennas Vietnam ist schon deutlich länger da als wir. Seit ein paar Jahren sind wir eine kleine, stabile Markt-Gemeinschaft.

… Feste feiern: Das heißt aber auch, dass man was bieten muss. Wir haben angefangen, Feste zu veranstalten und für einige Tage im Jahr einen größeren Markt zu machen, wo wir ProduzentInnen wie Bio-Balkan und unsere Bauern herholen. Die Leute können dann sehen, wie der Markt sein kann, wenn er richtig belebt ist.

… Mitgestalten: Wir wollen ProduzentInnen eine Plattform für ihre Produkte bieten und den Menschen im Grätzl den Zugang zu deren Produkten ermöglichen. Für mich ist es ein politisches Thema. Viele kleine Produzentinnen beliefern uns direkt mit ihren Köstlichkeiten. Für sie sind wir ein wichtiger Partner. Und es gibt viele Leute, die deshalb Zugang zu diesen Bauern haben, weil es diesen Ort hier gibt. Wir wollen aber auch den Markt und das Grätzl mitgestalten und engagieren uns zum Beispiel für eine Fußgängerzone am Markt.

… buntes Grätzl: Das Schwender-Grätzl hat einen stark dörflichen Charakter. Man kennt und grüßt sich auf der Straße, am Markt lernen sich die Leute niederschwellig kennen. Es ist ein junges Grätzl mit hohem Migrationsanteil. Die Durchmischung ist hier größer als anderswo. Keine Gruppe dominiert, es ist ein buntes, vielfältiges Grätzl. Das sieht man auch an der Kulinarik – vom Balkan bis Eritrea. Und es ist ein sehr kreatives Grätzl, mit Ateliers und kleinen Galerien. Natürlich haben wir auch Gentrifizierung. Aber die Erdgeschosslokale bleiben mehr oder weniger gleich. Der 7. Bezirk wird hier nicht plötzlich ausbrechen.

… Land findet Stadt: Ein bisserl sind wir Schnittstelle zwischen Stadt und Land. Unsere Waren und Zutaten kommen vom Land. In unserer Küche treffen dann Rezepte von der Oma auf urbane und auch internationale Kocheinflüsse. Wir gehen auch viel in den Wald und auf die Wiese: Schwammerl suchen, Kräuter sammeln, Zirbenzapfen, oder auch bei der Tante Feigen ernten. Das kommt dann in unsere Speisen oder wir kochen ein, legen ein und fermentieren. Neulich haben wir aus Fichtenzweigen Sirup gemacht. Wir experimentieren gerne mit Dingen aus der Natur.

… un-hipp schick: Im 6. oder 7. hast du einen bestimmten Typ an Gästen pro Lokal. Im 15. hast du nicht so viele hippe Leute. Als Lokal müssen wir für verschiedene Typen ausgerichtet sein. Zu uns kommen alle – von der MindestpensionistIn bis zum Bobo. Diese Vielfalt macht den Schwendermarkt so spannend.

Srilankindisch

Die Grazer Kulinarik muss bei der internationalen Küche nicht zurückstecken. Manifester Beleg ist das CEYLON CURRY. Die Liebe zur ayurvedischen Küche ihrer Heimat Sri Lanka haben Mayoori Piratheepan veranlasst, seinen IT-Job in Wien an den Nagel zu hängen und gemeinsam mit seiner Familie die Landeshauptstadt mit Dosas und Gewürzwelten zu verzaubern. 

Mayoori über … 

… sich: Mein Onkel betreibt schon seit über 30 Jahren ein bekanntes Lokal in Wien, das die traditionelle Küche aus Sri Lanka in Österreich eingeführt hat. Als ich noch in Wien gelebt habe, war ich bei einer Telekom Firma im Bereich Operations & Marketing angestellt.

… den Onkel: Es war mein Onkel, der mich dann motivierte, die Gelegenheit in Graz zu nutzen und gemeinsam mit meiner Frau das erste Restaurant mit Ceylon-Küche zu eröffnen. Wir sind also 2018 nach Graz und haben unser Leben und unser Restaurant hier im Lendviertel aufgebaut.

… vegan & Dosas: Unsere Küche ist traditionell immer schon vegetarisch bzw. vegan und daher nachhaltiger als andere. Die Ceylon-Küche ist der südindischen sehr ähnlich. Besonders beliebt sind da zum Beispiel die Dosas, gefüllte knusprige Fladen aus fermentiertem Reis- und Linsenmehl. Die gibt es sonst nirgendwo in Graz.

… Ayurveda: Unsere Speisen werden nach ayurvedischen Prinzipien (Ayurveda = traditionelle, Jahrtausende alte indische Medizin, Anm.) zubereitet. Dabei spielen Gewürze selbstverständlich eine ganz wichtige Rolle.

… den BeWirt*-Faktor: In unserer Kultur ist uns der Gast heilig. Wir wollen, dass unsere Gäste eine gute Zeit bei uns verbringen und besondere kulinarische Grüße aus unserer Heimat genießen.

Wie die Schwammerln

Vor einigen Jahren entdeckt das Leopoldstädter Brüderpaar Martin und Otto Kammerlander ein altes Kellergewölbe. Kurz darauf bauen die PILZBRÜDER als Nebenerwerbsbauern auf 200 Quadratmetern die ersten Shiitake-Pilze, Austern- und Kräuterseitlinge in TOP-Qualität an. Ihre Bio-Pilze aus der Praterstraße verbreiten sich bald über die kulinarischen Grenzen des 2. Bezirks hinaus in der ganzen Stadt.  Und das Netzwerk an Pilz-Fans und-FanatikerInnen wächst. Und wächst. Und wächst.

Otto und Martin über …

… den Keller: Es hat mit dem Keller begonnen. Vor 30 Jahren war hier ein Lager für Leder. In der Gegend wurde ja früher der Leder verarbeitet und verkauft.. Feinste Häute sind hier angeblich gelegen, aber irgendwann wurde der Laden darüber geschlossen. Danach war der Keller unvermietbar, wegen der Feuchtigkeit. Als wir das erste Mal reingekommen sind, hatte es im Raum 75% Luftfeuchtigkeit.

… die Anfänge: Damals haben wir uns über Umwege mit Pilzen beschäftigt und mal ausprobiert, ob sie hier wachsen oder nicht. Wir haben dann zunächst die Lokale um die Ecke gefragt, ob sie das grundsätzlich interessieren würde. Und sie fanden die Idee super. So ist das Ganze gewachsen.

… Substrat & Myzel: Seit 2018 züchten wir vorallem Shiitake und Kräuterseitlinge und ein paar Exoten, wie den seltenen Pom-Pom oder Igelstachelbart. Die Pilze wachsen bei uns auf Substrat aus zerkleinertem Holz und Nährstoffen. Zunächst wächst das Myzel, also das unterirdische Zellgeflecht. Wenn es stark genug ist, bildet es den Fruchtkörper aus. 

… den Eiertanz: Mittlerweile haben wir den Prozess zu 85 Prozent unter Kontrolle. Schief gehen kann immer etwas. Zwischendurch ist es vielleicht einmal 2 Grad zu warm. Oder der Pilz erhält im entscheidenden Moment zu wenig Sauerstoff oder Feuchtigkeit. Wenn die Luft zu trocken ist, können Pilze beim Wachsen auch zerreissen. Es ist schon ein Eiertanz.

… schmackhaft frische Pilze: Du kannst den Pilz schnell anbraten. Er schmeckt aber auch phantastisch, wenn er 24 Stunden bei 60 Grad im Wasserbad Geschmack abgibt. Der Kräuterseitling ist ein herrlicher Pilz, als Fleischersatz, aber auch roh, in dünne Scheiben geschnitten und mit Zitrone beträufelt. Mit dem Austernseitling kann du eigentlich alles schmackhaft machen.  Der Igelstachelbart in Butter angebraten schmeckt wie Meeresfrüchte.

… Köstliches im Glas: Wir entwickeln auch eingelegte Pilze und Pilz-Aufstriche in Gläsern. Unsere HauptkundInnen sind Restaurants und wir erhalten immer wieder mal Abbestellungen. Am Anfang haben wir dann 10 Kilo Pilze selbst gegessen oder verteilt. Dann haben wir beschlossen, die Pilze zu verarbeiten. Die Rezepturen haben wir zusammen mit einem Koch entwickelt, der auch einkocht. Sie schmecken köstlich und sind ein zweites Standbein. Aber wir sind erst am Anfang.

… Wundermittel: Laut TCM ist der Shiitake blutdruckausgleichend, Protein- und Vitamin D-Lieferant. Unser Igelstachelbart unterstützt den Magen-Darm-Bereich und hilft gegen Demenz. Beide werden in der asiatischen Schulmedizin zB in der Krebstherapie begleitendeingesetzt.

… Netzwerke: Wir machen das, weil uns der Pilz schmeckt. Er ist gesund. Und wir bekommen ein Schulterklopfen, die Leute kommen wieder und freuen sich. Wir haben so ein lässiges Netzwerk an Küchenchefs und -chefinnen, HändlerInnen und Privatpersonen. 
Und wir sind supernachhaltig, weil superregional. 2020 haben wir ausgerechnet, dass wir in zwei Jahren bereits das ganze Happel-Stadion (50.000 Sitzplätze, Anmerkung) mit unseren Pilzen versorgt haben. Das ist schon was. Da haben sich einige etwas Gutes getan.

… und Verflechtungen: Der Pilz ist ein Netzwerker. Wir haben noch nie so leicht Kontakte geknüpft, wie das der Pilz für uns macht. Wir kommen in Projekte rein und lernen Leute kennen, wo sich völlig neue Welten auftun. Wir arbeiten zum Beispiel mit jemanden im Burgenland zusammen, der Pilze für Schmuckkäfer-Larven züchtet. Mit ihm tauchst du in die Welt der Schmuckkäfer-Liebhaber ein. Dann machst du eine Studie mit der Boku in Sachen Bienen. Oder es kommen Leute, die aus Kräuterseitlingen Fleisch- oder Fischersatz drucken wollen. Mit denen redest du dann über Struktur. Das Myzel verflechtet uns.

Grenzerfahrung

Weil sie die Küche und Kultur ihrer Heimatstadt Rom vermissen, eröffnen Giulia Vasi und Roberta Della Valle das CAFE LIMES in Graz. Im Limes zeigt sich: Hervorragende traditionellen Gerichte und authentisches Ambiente finden auch in kleinen, feinen Lokalen ihren Platz –  wenn die Wirtinnen für ihre Sache brennen.


… das Lokal: Wir haben das Lokal eröffnet, um unserer Kreativität freien Raum zu geben. Wir wollen  jeden Tag mit dem verbringen, wo unsere Leidenschaft steckt. Außerdem haben wir das Essen unserer Heimatstadt Rom so vermisst, dass wir uns entschieden haben, Produkte wie die Supplì (Risottobällchen) und die Pizza Bianca (Focaccia Römischer Art) nach Graz zu bringen. Ziel vom Limes (lat. für „Grenze“) ist die Begegnung zweier unterschiedlicher aber doch angrenzender Kulturen zu ermöglichen, und unsere kulinarischen Traditionen so authentisch wie möglich zu übermitteln.

… die Produkte: Viele der Produkte, die wir unseren Gästen anbieten, gehören zur Römischen Tradition und sind zu 100% authentisch. Schwerpunkt unseres Gastro-Konzepts sind traditionelle italienisch-römische Rezepte.
Unsere Produkte können in Graz ganz genauso genossen werden, wie du sie in Rom findest. Unsere Zutaten sind so saisonal wie möglich. Und wo es mit unseren Rezepten und Gerichten möglich ist, auch regional.

… Herausforderungen: Qualitativ hochwertige und authentische Zutaten, die eine Balance zwischen lokal und original italienisch halten, sind nicht immer leicht erhältlich. Wir bringen noch nicht so bekannte Gerichte, Getränke und Gewohnheiten (z.B. Aperitivo) nach Graz. Das treibt uns an und hebt uns von MitbewerberInnen ab. Aber es ist auch eine Herausforderung.

… den BeWirt*-Faktor: Wir wollen unseren Gästen einen Ort schaffen, wo sie sich wie daheim fühlen können. Im Limes geht es nicht nur darum, schnell was zu essen. Bei uns geht es ums Gesamtkonzept, und das macht uns sehr stolz.

Backe, backe Bier

Es ist eine klassische Startup-Story: 2013 brauen Alexander Beinhauer und Johannes Grohs in ihrer Studenten-Küche ihr erstes Bier. Noch bevor der Craft Beer Hype 2014 nach Österreich schwappt, kommt es zur Eröffnung des ersten Bierfachgeschäftes mit Hobbybrau-Bedarf in Meidling. Seit 2015 brauen sie mit Next Level Brewing auch ihr eigenes Craft Beer.
Die Faszination am Bierbrauen? „Es ist wie Brotbacken“, sagt Alexander. „Du kannst mit wenigen Zutaten schnelle Erfolge feiern, oder du machst eine Wissenschaft daraus.“

Alexander über …

… sich: Ich habe Biotechnologie studiert und mit Hefekulturen gearbeitet. Da kommt man als Student schnell auf die Idee, Bier zu brauen. Mit Kochtopf am Herd, 5 Liter ganz easy. Ich war sofort gefangen, weil das Bier ganz anders schmeckt. Ich hatte damals wenig Ahnung von Craft Beer. Als der Hype Ende 2014 nach Österreich kam, hatten wir unser Geschäft hier in Meidling schon eröffnet. 

… das Maskottchen: Wir waren mit dem Beer Store Vienna zu Beginn ein reines Bierfachgeschäft, schnell kam dann der Hobbybraubedarf dazu. Seit 2015 brauen wir unter dem Label Next Level Brewing auch unser eigenes Bier, vor allem hopfenlastiges Pale Ale und wir machen Brau-Workshops. Unser Maskottchen ist der neugierige Oktopus, weil wir unsere Arme  im Bierbereich überallhin ausgestreckt haben. Heute führen wir unter der Marke MashCamp auch Österreichs größten Onlineshop für Hobbybraubedarf.

… ein bodenständiges Hobby: Hobbybrauen kann sehr entspannend sein, sehr bodenständig. Es ist ein Hobby, das viel zurückgibt. Man kann eine Wissenschaft daraus machen und sich mit Brauprozessen und Aromen beschäftigen. Oder man braut sein 08/15 Hausbier. Dann ist Bierbrauen sehr einfach und man hat schnelle Erfolge, wenn man einmal damit anfängt, kommt man schwer wieder los. Und es muss auch nicht teuer sein, unser Starter-Set gibt es ab 65 Euro.

… das Brauen, Crashkurs: Es gibt einen Brauprozess und einen Vergärungsprozess. Als Rohstoffe haben wir Malz, Hopfen, Wasser und Hefe. Beim Craft Beer können auch andere Aromen dazukommen. Das Malz (angekeimtes, getrocknetes Getreide, Anmerkung) wird geschrotet, das Korn aufgebrochen und gemaischt. Maischen kommt von Mischen, wir mischen Wasser und Malz, dabei wird die Stärke im Malz zu Zucker umgewandelt. Anschließend wird geläutert, also filtriert, und wir haben die zuckerhaltige Bierwürze.

… das Vergären, Crashkurs: Die Bierwürze wird dann mit Hopfen aufgekocht. Je längerer man kocht umso bitterer wird das Bier und umso weniger Aroma verbleibt. Deshalb geben wir Hopfen sehr spät zu. Die Schwebestoffe werden wieder filtriert. Anschließend wird gekühlt um die Hefe zugeben zu können. Nach der alkoholischen Gärung, die etwa eine Woche dauert, wird das Bier in Flaschen abgefüllt. Nach etwa zwei Wochen Flaschengärung und kurzer Reifung können wir es trinken.

… Bier & Klischees I: Der Männeranteil bei unseren KundInnen liegt bei 95 % und höher. Bei den Braukursen kommen manchmal ein, zwei Frauen mit ihren Partnern mit. Eigenständig brauende Frauen sind nach wie vor eher die Ausnahme. Das ist schade, weil Frauen in der Regel viel aufgeschlossener gegenüber neuen Aromen und Prozessen sind. Mit Klischees muss man ja vorsichtig sein, aber Frauen sind da schon experimentierfreudiger.

… Bier & Klischees II: Ich glaube, Bier als Männergetränk hat etwas mit unserer veralteten heimischen Trinkkultur zu tun: Bier ist gegen den Durst und Wein ist das Genussgetränk. Solange man diese Klischees trommelt, wird sich nicht viel ändern. Dabei ist der Craft Beer-Bereich ganz anders – komplexere Körper, mehr Aromen und viel mehr geschmacklicher Spielraum. Beim Craft Beer gehts ums Gesamtkonzept und die Leidenschaft dahinter.

Kino, Kirche, Kulinarik

Am westlichen Wiener Stadtrand haben Anna Pawlik und Manuel Jagetsberger vor vielen Jahren das ANNA & JAGETSBERGER eröffnet. Das Lokal ist mittlerweile Institution und der Grundsteinleger eines eigenen Grätzls. Das mag an der zeitgemäßen Küche liegen, an der bunt zusammengewürfelten Einrichtung oder am sympathischen Wirtspaar selbst. Im Anna & Jagetsberger passiert etwas, das man nicht erzwingen kann. Wir wollen es Atmosphäre nennen.

Anna über …

… sich: Ich habe mit 16 im Gastro-Service angefangen, um mein Leben zu finanzieren. Manuel hat mit 16 die Kochlehre begonnen und später haben wir uns zufällig in einem Lokal bei der Arbeit kennengelernt und festgestellt: Wir können gut miteinander. Ich hatte ansonsten keine konkreten beruflichen Pläne , war eher handwerklich tätig und hatte vorher auch noch das Modekolleg gemacht. Nur eines war eigentlich immer fix: Ich wollte nie ein Lokal haben (lacht).
Hat sich dann anders ergeben … das Lokal kam zu uns!
 
…das Frische-Konzept: Gerade mittags haben die Leute wenig Zeit und brauchen trotzdem was Gescheites zum Essen. Deswegen haben wir das Angebot auf den Punkt gebracht und bieten zwei verschiedene Tagesteller sowie Suppe und Salat plus Kuchen an. Es gibt keine Karte, sondern eine Tafel, die täglich neu beschrieben wird. So wissen die Gäste erst kurzfristig, was es gibt, aber sie bekommen immer etwas Gutes und natürlich auch Vegetarisches. Dieses Vertrauen haben wir uns erarbeitet. 
Durch die kleine Auswahl können wir Mittags auch starken Andrang ohne lange Wartezeiten stemmen. 
 
Durch diese nachhaltige Art des Wirtschaftens können wir auf das aktuelle Angebot an frischen Waren eingehen und verhindern so auch jegliches Wegschmeißen von Lebensmitteln. Das ist unser größtes Anliegen – neben der hauseigenen Produktion natürlich.
 
… den Stadtrand: Wir hatten bereits ein Lokal im 15. Bezirk gepachtet und wollten es aus verschiedenen Gründen nicht weiter betreiben. Ich habe danach gesagt, wenn ich wieder ein Lokal mache, dann nur an einem schönen Ort, an dem auch tatsächlich Bedarf besteht. Wir haben das Geschäftslokal hier zufällig gefunden und eher aus Spaß angeschaut. Es hat uns sofort geflasht: der Blumenladen, die Kirche, das Kino, die Räume, die Fassade – das war unser Platz. Das Geld für Lüftung und Küche haben wir irgendwie zusammenbekommen, was eh ein Wunder war und nur durch den Erfolg des vorherigen Lokals möglich.
 
Wir wohnen hier, haben das Lokal und kennen mittlerweile alle Leute. Die Nachbarn waren von Anfang an begeistert, dass hier vor Ort was passiert – wer hat nicht gern sein Stammbeisl ums Eck. Und es kommen andere, die sagen: Schade, dass es das bei uns nicht gibt. Und ich frage: Wo wohnt ihr denn. Und sie sagen: Im 7.
 
… das beste Publikum: Wir haben eine super Mischung. Zu uns kommen die Nachbarn, und mittags vor allem Leute, die in der Gegend arbeiten – vom Hackler bis zum Architekten. Das beste Publikum, das wir je hatten. Es kommen StudentInnen und SeniorInnen, wirklich bunt gemischt.
 
… Selbstausbeutung: Am Anfang haben wir praktisch nur zu zweit gearbeitet, und das war verdammt anstrengend. Zu lange Öffnungszeiten, zu wenig Personal, das war ein Wahnsinn. Aber wenn du was startest, traust du dich auch nicht drüber, voll reinzugehen. Was ja auch gut ist, weil es muss sich erst etablieren. Und das muss man sich auch leisten können.
Aber wenn man sich ständig überfordert und selbst ausbeutet, hat man auch nichts davon. Dann wird das auch keine nachhaltige Geschichte.
 
… den Preis: Wir sind mittlerweile auch hochpreisiger. Wenn mich wer fragt, warum unser Mittagstisch nicht günstiger ist, erkläre ich, weil die Gäste eben auch was bekommen für ihr Geld – nicht nur Qualität, sondern auch ein gutes Service. Wenn gute Lokale ihre Produkte unter Wert verkaufen, leidet immer irgendwer darunter: die Qualität, das Personal, du selbst. Es wirkt sich negativ auf die Wertschätzung aus und macht den Markt kaputt.
 
… und ein Gasthaus für Manuel: Nach 10 Jahren Selbstständigkeit ist jetzt noch ein Lokal dazugekommen. Aus Anna & Jagetsberger werden das Café Anna und das Gasthaus Jagetsberger. In der Märzstraße hat sich Manuel seinen Wirtshaustraum erfüllt – in Zeiten wie diesen das nächste Wunder.
 
Es ist noch in der Aufbauphase, wird aber von Tag eins des Probebetriebs seit Juli 2022 voll angenommen. Die Arbeit wird dadurch nicht unbedingt leichter, aber wir arbeiten dran. Mit Hilfe von vielen langjährigen UnterstützerInnen.
Denn zusammen kann man richtig viel schaffen!

Widewide wie sie mir gefällt

Lisa Stier und Aren Sakata haben sich ihr persönliches Stück Japan nach Wien geholt – bunt, schrill und niedlich wie Anime-Comics und Cosplay-Verkleidungen. Das TOKYO BOOM sieht aus wie vom Regenbogen gestreift. Den Stil kann man mögen, muss aber nicht sein. Denn wohl fühlt man sich in jeden Fall. Auch wegen des Essens. Denn Noodle Dog und Katsu Bowl schmecken einmalig gut. Doch Lisa und Arens Welt kann noch mehr: Sie akzeptiert dich. Alt, jung, schräg, bieder? Hauptsache, du bist da!

Lisa über …

… sich und Aren: Aren und ich haben uns in Japan kennengelernt. Aren ist Wiener mit japanischen Wurzeln und hat sechs Jahre in Tokyo studiert. Ich war als Au Pair dort. Wir sind in Tokyo gute Freunde geworden und ich habe mich damals auch entschlossen, mein Geoinformatik-Studium in Wien zu beginnen. Japan hat uns aber nicht losgelassen und wir waren zwischendurch immer wieder dort.

Corona hat unseren Reisepläne dann durchkreuzt. Eines Tages hat Aren wieder einmal unfassbar gut japanisch gekocht. Wir saßen auf der Couch, die pure Langeweile, und ich habe gesagt: Lass uns doch ein Restaurant eröffnen. 

… den Boom-Faktor: Es sollte ein japanisches Lokal sein, und vegan. Wir wollten aber nicht der 500ste Ramen und Sushi Laden sein. Wir wollten unseren ganz persönlichen japanischen Alltag reinbringen. Und der ist bunt, poppig und durchgeknallt. In Japan heißt das Kawaii und ist eine eigene Kulturströmung. Kawaii steht für süß, kindlich, niedlich.

… die Baustelle: Wir haben uns auf Immobilienseiten herumgetrieben und irgendwann ist mir dieser alte Schuppen untergekommen. Es war eine Bruchbude. Wir haben einen Riesen-Kredit aufgenommen und vieles selber gemacht, auch die Tischplatten. Was wir nicht selber machen konnten, hat eine Firma gemacht. Die war allerdings so unerfahren wie wir. Ich musste die Bauleitung übernehmen, das war für mich – jung, weiblich, unerfahren – extrem hart. Da bist du mal zwei Tage weg und wenn du zurückkommst steht da eine Wand, die nicht hingehört. Bezahlen musst du trotzdem, mit Geld, das du nicht hast.

… Essen wie im Comic: Kulinarisch gehört bei Kawaii der Noodle Dog dazu, oder Yakisoba Pan, gebratene Nudeln in Brot. Ist bei uns ein wenig ungewöhnlich, dass man Kohlenhydrate in Kohlenhydrate steckt. Aber schmeckt super. Das Yakisoba Pan kennt man auch aus Anime. In Japan gibt es das Sandwich an jeder Ecke, in Wien eben noch nicht. Wir mögen aber auch traditionelles Gyudon, ebenfalls Streetfood. Die Beef Bowl ist bei uns vegan. Die Karte war anfangs klein und wächst ständig. Man kann gespannt auf mehr sein.

… Cosplay, Raves und Omas: Unsere Zielgruppe sind Cosplay-Fans, Anime-Fans, Japan-Fans. Wir machen Double D Feste, Drag and Dinner. Und Cosplay-Raves im Partykeller. Schräg, schrill und bunt eben. Wir haben aber auch SeniorInnen. Es kommt beispielsweise oft eine Oma, die deshalb gerne bei uns isst, weil sie hier in eine andere Welt eintauchen kann, sagt sie. Ich werde aber nie den Moment vergessen, als uns die erste Japanerin besucht hat, eine ältere Dame. Sie hat unseren Thunfisch gegessen und nicht bemerkt, dass er vegan ist. Ich war sehr nervös, aber er hat ihr geschmeckt, alles gut.

… Team und Familie: Es ist sauschwer, in einem Laden wie unserem nachhaltig zu sein. Bei uns heißt Nachhaltigkeit nicht nur recyceltes Plastik bei to go. Wir achten auch auf soziale Nachhaltigkeit: Wie gehen wir miteinander um? Wen stellen wir ein? Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir Leute haben, die das mittragen. Wir haben ein tolles Team. Und Aren und ich verstehen uns unfassbar gut. Es fühlt sich wie Familie an. Und ist vielleicht auch ein bisschen so.

 

Gott der kleinen Dinge

Zunächst war da Anna am Markt. 2014 übernimmt sie am Meidlinger Markt einen kleinen Stand und baut sich beharrlich ein Netzwerk an mit Klein- und KleinststproduzentInnen in Österreich und Frankreich auf. Im Herbst 2020 beerbt Anna zwei enthusiastische Quereinsteiger mit ihrem Stand und ihren Kontakten zum richtig guten Zeug: gut für Gaumen und Planeten. Seitdem führen Gerhard und Max Kern als Vater und Sohn den Stand in Annas Sinne fort und weiter – als KERN UND ANNA AM MARKT.

Max über …

… Papas Traum: Wir sind Quereinsteiger, Papa ist Controller in Vollzeit und ich komme eigentlich aus der Kunst- und Medienecke. Aber es war immer schon Papas Traum, eine Greisslerei aufzumachen. Im Herbst 2020 hat der Papa gesehen, dass dieses nette kleine Standel – also Anna am Markt – zu haben ist und hat mich ins Boot geholt. Das war nicht schwer, da ich mich immer schon für Lebensmittel begeistert und während des Studiums in diversen Küchen gearbeitet habe. Im Endeffekt war es eine sehr spontane Geschichte.

… Annas Geist: Anna ist dann noch ein Jahr bei uns geblieben und hat die Bestellungen übernommen. Ich glaube, sie wollte einfach sichergehen, dass der Spirit ihres Standes erhalten bleibt. Sie hat uns damit enorm geholfen. Anna war es wichtig, ihren StammkundInnen weiterhin ein tolles Sortiment zu bieten. Deshalb halten sie uns auch weiterhin die Treue und wir konnten sehr viele StammkundInnen übernehmen. Der Anteil liegt bei an die 70 Prozent, vor allem an Samstagen.

… richtig gutes Zeug: Anna hat nie bei großen ZwischenhändlerInnen eingekauft und sich ein beeindruckendes Netzwerk an kleinen ProduzentInnen aufgebaut. Das sieht man zum Beispiel beim Käse, etwa von der Maruler Sennerei aus Vorarlberg, die tollen Biokäse machen oder eine super Rohmilch-Butter, die sehr beliebt ist und schwer zu bekommen. Wir haben auch tollen Rohmilch-Käse von der Sennerei Nuat aus Kärnten. Und weil Anna auch einen familiären Bezug zu Frankreich hat,  haben wir auch sehr feine Produkte aus Frankreich im Sortiment, die man in Wien sonst kaum bekommt.

… den Gott der kleinen Dinge: Mittlerweile teilen wir uns gut auf. Ich stehe eher im Laden und Papa hat die Zahlen im Griff. An Lebensmitteln fasziniert mich, dass man mit simplen Zutaten großartig kochen kann, wenn die Produkte Top sind. Wenn du die beste Paradeis zum besten Zeitpunkt nimmst, schmeckt man das einfach. Dann kannst du auch mit einfachen Gerichten Geschmacksexplosionen erzeugen und musst sie nicht noch mit 20 Gewürzen kaschieren.

… das Besondere am Markt: Ich mag die Stimmung am Meidlinger Markt. Das Besondere am Marktleben ist wahrscheinlich, dass sich die Leute mehr Zeit zum Plaudern nehmen.  Unsere KundInnen plaudern auch gerne über ganz allgemeine Dinge. Man kennt sich. Das gehört für mich einfach dazu. Und bei den anderen StandlerInnenn hat man das Gefühl, dass wir wir alle daran arbeiten, den Markt weiter zu beleben. Man merkt das gemeinsame Bestreben, den Markt ständig weiterzuentwickeln.

Schnitzelland in veganer Hand

Nach Jahrzehnten in der IT beschließt Hartmuth Beck kurzerhand, gemeinsam mit seiner Tochter ein Lokal aufzumachen. Vegan soll es sein, aber doch der gehobenen Alt-Wiener Wirtshaus-Tradition verpflichtet. Daraus wird schließlich das VELANI: traditionelle Wiener Küche, in vegan. Das freut nicht nur vegan lebende Übersee-Touristen mit Bock auf Schnitzel und Co., sondern auch viele Wienerinnen und Wiener  – speziell VeganerInnen und VegetarierInnen.

Hartmuth über …

… sich: Ich habe 30 Jahre Selbstständigkeit in der Energiewirtschaft und IT hinter mir. 2019 haben meine Tochter und ich uns überlegt, dass wir im veganen Umfeld tätig werden wollen. Anlass war damals ihre Ausbildung als vegane Ernährungsberaterin. Und Gastronomie hat mich schon immer interessiert. Ich hatte das Gefühl, dass der Service-Gedanke langsam verloren geht. Außerdem ich wollte zeigen, dass man vegane Küche auch anders machen kann – eben auf Basis der Wiener Küche.

… das Konzept: Ich habe ein Konzept entwickelt, dass vegane und traditionelle Wiener Küche miteinander verbindet. Dann habe ich die Zusammenarbeit mit Seigi Kröpfl gesucht (einziger veganer Haubenkoch in Österreich, Anm.) gesucht. Wir haben die Speisekarte entwickelt, das Team gesucht, die Infrastruktur aufgebaut und das Lokal renoviert. 

… Hausgemachtes: Ungefähr 90 Prozent unserer Gäste kommen wegen unserer Klassiker, also Gulasch, Schnitzel und Co. Aber speziell für unsere Stammgäste versuchen wir auch immer saisonale oder themenorientierte Spezialangebote zu machen. Mittlerweile machen wir vieles selbst, zum Beispiel unsere Schnitzel oder unsere vegane Leberknödelsuppe. Da haben wir viel Zeit und Knowhow investiert und du wirst sie sonst nirgendwo in Wien finden. 

… und Zugekauftes: Aber es gibt auch sensationelle Produkte von anderen ProduzentInnen. zum Beispiel der Revolachs oder die vegane Blutwurst vom Dormayer. Ganz neu auf der Karte ist unser Filet Mignon von einem slowenischen Betrieb. Wir haben es als Erste nach Wien geholt. Beim Filet passt alles, sogar die Fleischstruktur. Mit unseren Mitteln könnten wir das gar nicht so toll hinbekommen.

… Fleischersatz: Es gibt vegan lebende Menschen, die Fleischersatz-Produkte nicht mögen, das ist ist eine legitime Ansicht. Die Wiener Küche ist aber traditionell sehr fleischlastig, deshalb funktioniert bei uns sehr viel mit Fleischersatz. Es gibt Leute, die deshalb nicht zu uns kommen, weil wir eine hohe Fleischersatz-Komponente haben. Das ist auch ok. Aber ich denke, es hat Beides seine Berechtigung.

… und industrielle Produkte: Wenn du möchtest dass die vegane Schiene wächst, kommst du um die Industrialisierung nicht herum. Auch wenn du auch eine gewisse Standardisierung in deinen Produkten haben möchtest. Ich habe nur dann damit ein Problem, wenn die Produktion auf Kosten anderer geht – sei es, dass Menschen unter schlimmen Bedingungen arbeiten müssen, oder wenn Tiere oder generell die Umwelt schlecht behandelt werden. Aber dass man etwas industriell erzeugt, muss generell nichts Schlechtes sein.

 

Um die Wurst

Der kulinarische etwas angestaubte Wiener Würstelstand erlebt mit Bio-Produkten und neuen Kreationen eine Renaissance. EH WURST ist der erste voll vegane Würstlinger, weils eben eh auch Wurst ist: die Curry Wurst aus Seitan, der Hot Dog aus Tofu. Und dann gibt es noch die Bosna aus Bratwurst (Pilze) und Zwiebelsenf. Der Salzburger Raphael Rosdobutko hat das Original aus seiner Heimatstadt in den 7. Bezirk geholt – nur eben in vegan.

Raphael über…

… die Wurst: Die perfekte vegane Wurst muss die perfekte Würze haben und natürlich einen guten Biss. Die Konsistenz muss stimmen.  Unsere Bosna-Wurst ist von Peter Hiel aus dem 20. Bezirk und er macht sie aus Austernpilzen und Kräuterseitlingen. Auch unsere Curry Wurst schmeckt, wie sie schmecken soll und kommt aus Bayern. Ich bin selbst Vegetarier und da war es für mich nur logisch, dass meine Würstel vegan sein sollen.

… die Idee: Das Eh Wurst war eine Lockdown-Geburt. Ich komme aus dem Event-Management und musste mich damals neu erfinden. Und ich wollte immer schon die Original Bosna aus der Salzburger Getreidegasse nach Wien bringen. Also habe ich mir damals gedacht: Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt. Das restliche Angebot ist dann dazugekommen. 

… den Standort: Ich habe eineinhalb Jahre nach dem richtigen Lokal gesucht, aber Gastro in dieser Gegend ist schwierig. Wenn im 7. was frei wird, ist es ganz schnell wieder weg. Schließlich habe ich diesen Standort in der Neustiftgasse gefunden. Ich habe zwei, drei Monate umgebaut und fast alles selbst gemacht.

Wir haben im Juli 2022 eröffnet. Der Andrang war groß, aber zum Glück blieb auch noch Zeit, die Abläufe und Arbeitsschritte zu optimieren. Mittlerweile sind wir gut aufgestellt.

Marks Zuckerberg

Nach 25 Jahren in der Werbung hat Mark Ruiz Hellin genug und eröffnet am Wiener Meidlinger Markt auf nur 24 Quadratmetern eine Konditorei. Mittlerweile hat das HÜFTGOLD mit dem IGNAZ & ROSALIA auch ein Kaffeehaus dazubekommen. Und neben Kaffeehaus- und Hochzeitsbäckerei setzt Mark auf Brownies und Cookies aus der Tonka-Bohne. Letzterer spricht man eine aphrodisierende Wirkung zu – geschmacklich sind es TONKAT-Produkte allemal: Aphrodise your Life!

Mark über…

… sich: Nach meinem Ausstieg aus der Werbung habe ich mir damals gedacht: Ich esse gerne Kuchen, ich backe gerne Kuchen, warum keine Bäckerei eröffnen? Anfangs wollte ich selber backen. Ich habe aber bald gemerkt, dass es zwischen Hobby- und professioneller Bäckerei eine große Lücke gibt, und die heißt Gewinn. Denn ich schaue zu, bis der Schlagobers geschlagen ist. Unser Künditormeister kann drei Maschinen gleichzeitig laufen lassen und hört, wenn der Schlagobers perfekt ist. Währenddessen rollt er Mürbteig aus. Mit Hobby-Backen kann man eine schöne Zeit verbringen, aber kein Geld verdienen.

… den Standort: Anfangs wollten wir ausschließlich für Business-Kunden backen und haben nach einer Hinterhof-Bäckerei gesucht. Dann habe ich zufällig entdeckt, dass ein Marktstand am Meidlinger Markt zum Verkauf stand. Damals im Jahr 2017 war der Meidlinger Markt fast tot. Es hatte sich aber bereits abgezeichnet, dass die Stadt den Markt nicht sterben lassen wird. Und es hatte auch einen rationalen Grund. Marktstände sind Sonderbetriebsstätten und ich konnte hier tatsächlich eine Konditorei auf 24 Quadratmetern eröffnen – die wahrscheinlich kleinste Konditorei Wiens.

… Meidling: Mittlerweile boomt der Meidlinger Markt und das wundert mich nicht. Ich bin ein überzeugter Meidlinger und liebe Meidling. Wir haben Schönbrunn, den zweitfrequentiertesten Bahnhof Österreichs. Mit dem Rad bist du ruckzuck in der Innenstadt. Meidling hat alles, was ein hippes Grätzl braucht, bis auf  KünstlerInnen und Kneipen vielleicht, hiervon haben wir immer noch zu wenig.

… die Tonka-Bohne: Unsere Tonkat-Serie ist innerhalb von zwei Wochen entstanden, weil wir ursprünglich damit aufs Donauinselfest wollten – dort waren wir dann aber nicht. Unsere Brownies und Cookies bestehen aus zweierlei Kakaomischungen, einer dunklen und einer eher fruchtigen. Und wir setzen den höchstzulässigen Anteil an Tonka-Bohnen zu. Tonka-Bohnen enthalten Kumarin, wie übrigens auch Zimt und die Muskatnuss. Eine Gesundheitsgefährdung wurde nie nachgewiesen. Hier geht es meiner Meinung nach um US-Handelsinteressen, weil die Tonka-Bohne aus Südamerika kommt.

… Wundermittel: In Südamerika gilt die Tonka-Bohne als entzündungshemmend und entkrampfend, sie wird etwa bei Magenproblemen eingenommen. Außerdem gilt sie als Aphrodisiakum, deshalb auch unser Slogan: Aphrodise your Life! Die Zielgruppe dafür ist natürlich jünger und unterscheidet sich von jener, die bei uns am Markt eine Schwarzwälder Kirschtorte zum Kaffee bestellt. 

Klein Hellas

Vor einigen Jahren musste sich Lebensmittelhändler Paris Priskomatis neu erfinden. Kurzerhand zog er von Saloniki nach Wien und gründete den OLIVENHAIN. Im 2. Bezirk und mittlerweile im 15. Bezirk findet sich Handverlesenes Erlesenes aus Griechenland: Thymian-, Kastanien- und Erdbeerbaumhonig zum Beispiel, Kefalotyri und andere Käse – und natürlich kostbare Olivenöle, in besserer Qualität als italienische, ist Paris überzeugt.

Paris über …

… Not und Tugend: Unsere Familie ist schon lange im Lebensmittelgeschäft. Mein Großvater war Käseproduzent und mein Vater hatte einen Großhandel für beispielsweise Olivenöl und Joghurt gegründet, den er gemeinsam mit mir und meinem Bruder geführt hat. 2012 kam die griechische Finanzkrise und wir mussten den Betrieb schließen. Ich war eineinhalb Jahre arbeitslos, lebte von Gelegenheitsjobs und musste mich neu erfinden. 

… Wahlwienertum: Im Herbst 2014 bin ich mit dem Vorsatz nach Wien gekommen, einen Laden für griechische Delikatessen zu gründen. Warum Wien? Weil ein Freund schon hier lebte und mir Wien immer schon gefallen hat. Ich habe mir den Markt für griechische Delikatessen angesehen und im Frühjahr 2015 den Olivenhain gegründet.

… Produkt und –suche: Ich kenne alle meine Produkte, viele ProduzentInnen kenne ich noch von früher. Ich bin aber immer auf der Suche nach neuen Produkten und reise jedes Frühjahr für einige Wochen nach Griechenland. Heuer habe ich zum Beispiel ein ausgezeichnetes Olivenöl aus der Region Korinth. Ich war zur Erntezeit dort – ein wirklich tolles Produkt, biologisch und sehr aromatisch – probieren Sie gerne!

… die Olivenöl-Ernte: Ich freue mich jedes Jahr auf die neue Olivenöl-Ernte. Manchmal ist die Ernte sehr gut, manchmal weniger. Für 2022 ist die Ernte generell sehr gut – und in der Region Korinth eben herausragend. Im Vorjahr war die Olivenöl-Ernte in Kreta sehr gut, weil es dort endlich wieder geregnet hatte. Ich vergleiche und bestelle das Beste. Naturprodukte von kleinen ProduzentInnen sind immer anders, das ist auch mit unserem Honig so. Man lebt da ein bisschen mit. Und meine KundInnen können natürlich alles kosten.

… weltbestes Olivenöl: Viele WienerInnen haben schöne Urlaubserinnerungen aus Griechenland, aber die Top-Qualität von griechischen Produkten ist immer noch zu wenig bekannt. Manchmal kommen Leute ins Geschäft und fragen nach italienischem Olivenöl. Ich bin mir sicher, dass ich besseres Olivenöl aus Griechenland habe, obwohl es natürlich auch ganz gutes Olivenöl aus Italien gibt (schmunzelt.) Oder sie fragen nach Artischocken in Olivenöl – bitte in Italien probieren!

… den Fiskus: Bis vor drei Jahren war ich alleine im Geschäft. Seit heuer habe ich eine Filiale in der Westbahnstraße und wir sind acht MitarbeiterInnen. Das ist in schwierigen Zeiten wie diesen natürlich immer ein Risiko.  2015, 16 und 17 wurde der Umsatz von Jahr zu Jahr immer besser. 2018 habe ich das erste Mal auch einen guten Gewinn gemacht. Jetzt zahle ich natürlich mehr Einkommensteuer und Sozialversicherung. Und meine Steuerberaterin sagt mir, Geh‘ es ein bisschen ruhiger an. Das ist doch verrückt.

… die Stammkundschaft: Ich habe viele StammkundInnen, auch aus anderen Bezirken. Einmal kam ein Kunde und fragte nach Taramosalata (Spezialität aus Fischrogen, Anm.), den wir selber machen. Er war aber gerade aus. Und er sagte, Oh wie schade, ich bin extra aus dem 13. Bezirk gekommen. Seitdem kommt er jeden Donnerstag, und ich habe natürlich immer Taramosalata für ihn.

… Liebe durch den Magen: Ich liebe Wien wegen der Lebensqualität. Für mich bot Wien eine neue Chance. Und die WienerInnen lieben Griechenland, das ist eine gute Kombination. Jeden Tag rufen Leute an und fragen zum Beispiel, Hast du Kefalotyri-Käse für Pastitsio, das ist griechischer Auflauf. Über die Produkte lernen wir uns kennen, viele werden StammkundInnen.